Hautarzt-Praxis
Dr. med. Michael Schnicke

Dermatologe

Beine mit "Krampfadern", chronisch venöse Insuffizienz Abb. 1 chronisch venöse Insuffizienz (CVI)

Ulkus am Innenknöchel eines Patienten Abb. 2 Bei CVI finden Sie Ulzera typischerweise am Innenknöchel

eitrige Hautnekrosen Abb. 3 Hautnekrosen bei pAVK dagegen am lateralen Unterschenkel

spinozelluläres Karzinom Abb. 4 Besteht ein Ulkus jahrelang, kann sich ein spinozelluläres Karzinom entwickeln

Häufige Differenzial-Diagnosen Abbildung 5, 6 und 7 (siehe auch Text)

Malum perforans Abb. 5 Malum perforans: schmerzlose Ulzerationen bei Diabetes und Polyneuropathie (li. Vorfuß)

Endangitis obliterans Abb. 6 Endangitis obliterans: Hautnekrosen mit Ischämieschmerz bei einer autoimmunogen ausgelösten Panarteriitis (re. Fuß)

Necrobiosis lipoidica Abb. 7 Necrobiosis lipoidica: ovaläre, von Adern durchzogene Plaques an Unterschenkeln bei Diabetes, Colitis und Sarkoidose (Unterschenkel Streckseite)

Phlebolymphödem Abb. 8 Patient mit Phlebolymphödem: Stauungsdermatitis der Unterschenkel

Mikrobieller Befall Abb. 9 Mikrobieller Befall: Blaugrüne Belege durch S. aureus und P. aeruginosa.

Wundreinigung Abb. 10 Wundreinigung: Stiefel* Curette zum Abtragen von Nekrosen und Fibrinbelägen

Umgebung schützen Abb. 11 Umgebung schützen: Abdecken der Ulkusumgebung mit Zinkpaste

Ulkus cruris

Über eine Million Menschen in Deutschland leiden an einem Ulcus cruris venosum. Besonders viele davon finden sich in der Hausarztpraxis. Und dort können sie mit dem entsprechenden Know-how auch gut versorgt werden.

In Deutschland sind ca. fünf Millionen Patienten von einer chronisch venösen Insuffizienz (CVI, Abb. 1) betroffen, Frauen häufiger als Männer. Die drei wesentlichen Ursachen für dieses Krankheitsbild sind die venöse und kapillare Gefäßhypertonie im eigentlichen Niederdrucksystem bei gleichzeitigem defektem Schließmechanismus der Venenklappen und verminderter Pumpfunktion von Muskeln, Haut und Gelenken. Die schwerste Form der CVI, das Ulcus cruris venosum (UCV), gilt als therapieresistent, wenn es nach drei Monaten keine Heilungstendenz zeigt oder nach zwölf Monaten nicht abgeheilt ist. Die Kosten allein für Verbandsmittel sind höher als die der ärztlichen Betreuung, und statistisch bekommt ein Drittel der Patienten häufiger als viermal ein Ulkusrezidiv.

Beschwerden oft paradox

Die klinische Untersuchung, die heute mit Digitalkamera, Datum und Maßband unterstützt wird, umfasst den Lokalbefund von Ulkus und Umgebung sowie Venen- und Pulsstatus. Typischerweise sind Ulzera bei CVI am Innenknöchel des distalen Unterschenkeldrittels (Abb. 2) lokalisiert. Häufig verschmelzen mehrere Ulzera und können manschettenartig den ganzen Unterschenkel umgreifen (Gamaschenulkus). Die subjektiven Beschwerden sind mitunter paradox unterschiedlich: Große Herde sind oft schmerzfrei, während kleinere Atrophie-Areale starke Beschwerden verursachen können.

Hautnekrosen am lateralen Unterschenkel (Abb. 3) oder prätibial sind dagegen ein Hinweis für eine periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) mit typischer Schmerzanamnese der klassischen Schaufensterkrankheit und nicht mehr tastbaren Fußpulsen. Bei jahrelang bestehendem Ulkus ist die Entwicklung eines spinozellulären Karzinoms möglich (Abb. 4), so dass nach erfolgloser Behandlung über sechs Monate eine Probe-Biopsie erfolgen muss. Die häufigsten weiteren Differenzial-Diagnosen sind Malum perforans, Endangitis obliterans und Necrobiosis lipoidica (Abb. 5, 6 und 7).

Bei Ödemen auf mikrobiellen Befall achten

Bei Patienten mit Phlebolymphödem tritt als häufiges Problem eine ausgeprägte Stauungsdermatitis der Unterschenkel auf (Abb. 8). Hierbei handelt es sich um eine chronische Entzündung von Epidermis und Dermis, die mit Juckreiz und Brennen einhergeht. Klinisch bestehen nässende, schuppende, teilweise rissige Hautveränderungen mit starker Exsudation und Krustenbildung. Durch Hämosiderinablagerung entsteht die typische Braunfärbung. Austretende Proteine stimulieren die überschießende Kollagensynthese (Dermatoliposklerose). Innerhalb dieser sklerotischen Haut kommt es zu Störungen der Mikrozirkulation, die zum Gewebeschaden durch zunehmende Hypoxie führt, woraus schließlich das venöse Ulkus (Abb. 2) entsteht. Altersbedingt sinkt zudem die Transportkapazität des Lymphgefäßsystems und die dadurch starke Exsudation greift den natürlichen Säureschutzmantel der Haut an, so dass es leicht zu einer mikrobiellen Besiedlung kommt: 80% der chronischen Ulzera sind bakteriell kolonisiert. Die beiden häufigsten Erreger sind S. aureus und P. aeruginosa (Abb. 9) mit typischen blaugrünen Belägen. Bei Infektionszeichen ist der mikrobielle Abstrich Pflicht, sowie vor stationärer Aufnahme, um eine eventuelle Besiedlung mit Problemkeimen (MRSA,ORSA) auszuschließen.

Zehenzwischenräume kontrollieren!

Das plötzliche und einseitige Auftreten einer diffusen Hautrötung mit Fieber, Schüttelfrost und Leukozytenerhöhung spricht für ein Erysipel, das initial in der Regel systemisch mit Penicillin V oder G behandelt wird neben der Ruhigstellung und Kühlung der betroffenen Extremität mit feuchten Umschlägen und Thrombose-Prophylaxe. Treten von den Zehenzwischenräumen ausgehende weitere rezidivierende Entzündungen hinzu, entwickelt sich eine Elephantiasis nostra. Die dabei auftretenden Schwellungen an den Unterschenkeln haben Ähnlichkeit mit umgekehrten Sektflaschen. Die Zehenzwischenräume müssen daher immer kontrolliert werden incl. Pilzlabor. Auch bei bettlägrigen Patienten hat sich hier die mäanderförmige Streifendrainage mit Schlauchmull bewährt oder auch ES-Kompressen zusätzlich zur Lokaltherapie.

Bei chronischen Wunden wird oft vergessen, dass ein Kontaktekzem vorliegen kann. Eine scharfe Begrenzung der Rötung, z.B. in Form der Größe der entsprechenden Wundauflage, sowie fehlende Infektionsparameter müssen an das Vorliegen einer Sensibilisation denken lassen. Hierbei sind topische Antibiotika, Anaestetika, Konservierungsmittel, Emulgatoren, Kolophonium, Perubalsam und Duftstoffe, ja sogar Steroide die häufigsten Allergene. Ein Dermatologe kann diese durch eine Epikutan-Testung abklären und ggf. auch eine Hautbiopsie zwecks Histologie durchführen.

Den richtigen Druck ausüben

Die passive Kompressionsbehandlung zusammen mit einer aktiven Bewegungstherapie sind die beiden Hauptmaßnahmen bei CVI. Die kurzzugelastischen Binden bieten den optimalen Arbeitsdruck zusammen mit der Aktivierung der Muskelpumpe. Zusätzliche Druckpolster und Pelotten für konkave Areale verstärken die Effektivität der Kompression. Auch die Kompressionsstrümpfe bieten einen graduierten Druck, der am distalen Unterschenkel höher als proximal ist. Empfindet der Patient den Einzelstrumpf zu druckintensiv, nehme ich zwei übereinander gezogene leichtere Strümpfe, deren resultierender Andruck der Summe jedes einzelnen entspricht. Vorsicht ist geboten bei Zeichen der arteriellen Verschlusskrankheit und bei peripherer Polyneuropathie.

Erst reinigen und dann abdecken

Zur Wundreinigung können Sie statt der physiologischen Kochsalzlösung auch die Duschbrause nehmen ohne unterschiedliche Infektionsstatistik. Dies beseitigt den Biofilm, mit dem sich über 60% aller Erreger vor dem Immunsystem schützen und so die Wirkung von Antiseptika reduzieren. Nekrosen und fibrinöse Beläge entfernen Sie wie folgt: Nach Einwirkzeit der anästhesierenden Emla® Creme eine Stunde unter Folie werden die Fibrinbeläge und das nekrotische Gewebe mit der sterilen Stiefel® Curette Größe 7 weitgehend und schmerzfrei weggeschabt (Abb. 10).

Die Ulkusumgebung wird mit der hautberuhigenden, antientzündlichen weichen Zinkpaste abgedeckt und geschützt (Abb. 11). Diese ist fettlöslich und lässt sich mit jedem Öl einfach entfernen (Similia similibus solvuntur).

Wunde feucht verbinden

Zur Lokaltherapie ist die feuchte Wundbehandlung heute zum Goldstandard geworden. Verbesserte und verkürzte Wundheilung, Verminderung der Schmerzen, erniedrigte Infektionsrate und Reduktion der Behandlungskosten sind die entscheidenden Vorteile dieser modernen Verbandstoffe. Die Ulkusgröße und die Phase der Wundheilung bestimmen hierbei die Wahl der Wundauflage. Schaumstoffpräparate sind in jeder Phase der Wundheilung einsetzbar. Mein Favorit: Mepilex® Safetac. Schon der regelmäßige Verbandswechsel erzielt die Wundreinigung. Je nach Exsudation wird täglich gewechselt, später maximal bis zu einer Woche belassen.

Kompakt

Ulkus als Fenster

Denken Sie daran, dass für so manchen Patienten sein Ulkus ein „Fenster zur Umwelt" bedeutet und ärztliche Zuwendung sowie Kommunikation garantiert. Sind die Beine geheilt, ist er wieder einsam!

Blickdiagnose Ekzem

  • Kontaktekzeme sind scharf begrenzt, identisch mit der Wundauflage
  • Stauungsekzeme dominieren durch diffuse beidseitige Erythemherde
  • Erysipele treten meist einseitig mit typischen Infektionsparametern auf.

Aktiv gegen das Ulkus

Wandern, Schwimmen oder Radfahren sind Sportarten, die die venöse Zirkulation sehr gut unterstützen. Die Hochlagerung der Beine während der Nacht oder der Ruhe erleichtert die Resorption der Ödeme. Kaltes Abduschen bekämpft die Vasodilatation. Die manuelle oder apparative Lymphdrainage ist besonders in fortgeschrittenen Stadien effizient und kann auch als Heimtherapie durchgeführt werden. Bei diesen intermittierenden Kompressionsgeräten sind die Mehrkammersysteme den Einkammergeräten überlegen.

Plastische Deckung in der Praxis mit Reverdinläppchen


Plastische Deckung in der Praxis - Details siehe Text
Eine plastische Deckung in der Praxis lässt sich auch mit den Reverdinläppchen (a) durchführen: Nach Anhebung der Haut im Spenderareal mit einer Kanüle entnehmen Sie dazu kleine, tangential mit dem Skalpell abgetragene Inseln von max. 10 mm großen Spalthautläppchen und verteilen diese gleichmäßig auf dem angefrischten Ulkusgrund (b, c). Anschließend verbinden Sie das Ulkus für fünf Tage mit Fettgaze.

Ihr